VDWF-Praxisforum Kunststofftechnik 2025: Spritzguss in Europa – heute und morgen

Am 18. März 2025 lud der Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) bereits zum fünften Mal zum „Praxisforum Kunststofftechnik“ ein. Die Online-Veranstaltung versammelte rund 80 Teilnehmer, die sich in sieben Fachvorträgen mit dem Leitthema „Spritzguss in Europa“ auseinandersetzten.

VDWF-Präsident Prof. Thomas Seul eröffnete das Praxisforum mit den Worten: „Wir werfen einen Blick in die Zukunft und auf hochinteressante Themen, die man keinesfalls verpassen sollte, wenn man über die neuesten Entwicklungen in der Kunststoffbranche informiert sein möchte.“ Gemeinsam mit Fabian Diehr, Geschäftsführer wortundform, führte er durch das rund dreistündige Programm, in dem das „Phänomen“ Kunststoff aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet wurde.

Impulse für die Branche: von Mindset bis Design

Den Auftakt machte Volker Faust, Geschäftsführer des Kunststoffwerks M. Faust aus Glandorf. Als Spritzgießer mit Wurzeln in der New Economy und der Start-up-Beratung brachte er eine frische Perspektive in die KMU-dominierte Branche ein. Statt Geheimhaltung nach dem Motto „Tue Gutes und sage es ja niemandem“ plädierte er für mehr Zusammenarbeit, Vernetzung und Offenheit – nicht nur unter den Spritzgießern, sondern insbesondere auch mit den Werkzeugmachern. Durch ein solches kommunikatives „Mindset“ lasse sich nicht nur eine größere Schlagkraft gegenüber Kunden gewinnen, sondern auch das eigene Leistungsportfolio besser kommunizieren, was langfristig zu mehr Aufträgen führe. „Die erfolgreichsten Menschen und Unternehmen sind diejenigen, die Netzwerke aktiv aufbauen und pflegen“, so Faust.

Dr. Wolfgang Schepers nahm die Teilnehmer mit auf eine „Entdeckungsreise ins Deutschen Kunststoff-Museum“, dessen Präsidentenamt er bekleidet. Anhand von Sitzmöbel-Designikonen – vom Panton Chair bis zum Monoblock – zeigte er die gestalterische Bedeutung des Materials Kunststoff. Seine Ausführungen verdeutlichten, dass Kunststoff nicht nur als Massenware, sondern auch als Medium für innovatives Design verstanden werden sollte. Die gezeigten Exponate aus der Sammlung des Museums in Oberhausen stehen für die Formfreiheit der Gestaltung und die Vielseitigkeit des Werkstoffs. Sie sind fester Bestandteil des Alltags und der Designgeschichte.

Nachhaltigkeit und Digitalisierung als zentrale Themen

Steffen Hachtel, Geschäftsführer von F. & G. Hachtel aus Aalen, beleuchtete die Herausforderungen und Chancen des Europäischen Green Deal, der vorsieht, dass die Wirtschaft bis 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr verursacht. Die Lösung sei ein „Mosaikbild“ aus vielen Maßnahmen. Als konkrete Beispiele zeigte der Ingenieur, wie in der Fertigung der Energiebedarf mit optimierten Verfahrenstechnologien reduziert werden kann und stellte mit dem „good-cup“ auch ein nachhaltiges Spritzguss-Produkt vor – einen kompostierbaren, recycelbaren und gleichzeitig spülmaschinenfesten Trinkbecher, den Hachtel selbst entwickelt hat und produziert.

 

Wie bestimmt man die Qualität eines Rezyklats, und wie lassen sich Prozesse entsprechend anpassen? Dieser Frage widmete sich Dr. Natalie Rudolph von Netzsch-Gerätebau aus Selb in ihrem Vortrag. Sie zeigte auf, wie künstliche Intelligenz genutzt werden kann, um den thermischen Fingerabdruck von Kunststoff-Rezyklaten zu analysieren und so die Verarbeitungsqualität zu steuern.

Effizienz und Automatisierung in der Kunststoffverarbeitung

Dr. Ruth Markut-Kohl, Teamleiterin der digitalen Spritzguss-Architektur bei Engel, knüpfte mit ihrem Vortrag an die Notwendigkeit vernetzter Prozesse an. Sie erklärte, warum Spritzgießmaschine, Werkzeug und Peripheriegeräte nicht als getrennte Systeme, sondern als Einheit betrachtet werden sollten. Im Sinne der Prozessoptimierung und einer reibungslosen Abmusterung erläuterte sie, wie ein nahtloses Zusammenwirken gewährleistet werden kann, und schaffte es dabei, den Teilnehmern die Sorge zu nehmen, dass für solche Prozesse ein Betriebsinformatiker erforderlich sei.

Klaus Lemke vom Marktspiegel Werkzeugbau sprach über die Notwendigkeit belastbarer Daten in der Branche. Er verdeutlichte, dass herkömmliche Kennzahlen aus der freien Wirtschaft nicht ohne Weiteres auf den Werkzeug- und Formenbau oder das Spritzgussgeschäft übertragbar sind. Umso wichtiger sei es, an der genossenschaftlichen Initiative zu partizipieren, um verlässliche Daten aus der und für die Branche generieren zu können – mit dem Ziel, neben dem eigenen Bauchgefühl auch fundierte Zahlen für Entscheidungen heranziehen zu können.

Kathrin Gruber, Geschäftsführerin bei Wartenfelser aus Hemhofen, zeigte mit ihrem Vortrag „Dauerläufer in der Kleinserienfertigung – per Roboter-Manufaktur“, wie veränderten Marktlagen begegnet werden kann: Angesichts der zunehmenden Individualisierung von Produkten schrumpfen die Seriengrößen, wodurch zusätzliche Arbeitsschritte erforderlich werden – etwa beim Einsatz von Einlegern, die dann oft manuell zugeführt werden. Gruber zeigte, wie Automations- und Handling-Systeme langfristig Prozesse effizienter gestalten und gleichzeitig zur Produktionsstandortsicherung in Deutschland und Europa beitragen können.

Ein Blick nach vorn und über den Tellerrand
 

Die rege Beteiligung der Zuhörer, die zahlreichen Fragen und intensiven Diskussionen verdeutlichten die Relevanz der Themen. „Auch dieses Jahr bot das vielfältige Programm neue Ansätze für das Tagesgeschäft der Teilnehmer, aber auch Inspirationen für einen Blick über den Tellerrand“, resümiert Prof. Thomas Seul, der sich bereits auf die Ausarbeitung der Themen für das Praxisforum Kunststofftechnik im kommenden Jahr freut. 

 

Ein besonderer Dank gilt den Sponsoren AHP Merkle, Contura, Engel, Simcom und der Hochschule Schmalkalden, die das Event unterstützten und so zum Erfolg der Veranstaltung beitrugen.

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